Prag verliert seine Seele durch den Tourismus

Prag war und ist eine der schönsten Städte Europas, aber wie lange noch?

Prag war und bleibt eine der schönsten Städte Europas, aber wie lange noch? Die tschechische Hauptstadt ist eine erstaunliche Sammlung von Gebäuden und Denkmälern aus dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock, dem Rokoko und der Jahrhundertwende. Fast jedes Haus im Stadtzentrum ist wie eine Lektüre in einem riesigen Buch der Weltarchitekturgeschichte.

Während der kommunistischen Jahre wurde Prag von Besuchern weitgehend ignoriert, da das Regime nicht besonders einladend war. Die Öffnung des Landes änderte jedoch dramatisch das touristische Schicksal Prags. Von rund 1.30 Millionen ausländischen Besuchern in den frühen neunziger Jahren konnte Prag im vergangenen Jahr über vier Millionen begrüßen. Laut dem Verband der Reiseveranstalter und Reisebüros der Tschechischen Republik (AČCKA) ist die Stadt außerdem die am sechsthäufigsten besuchte Stadt Europas.

Seit 2004, dem Jahr, in dem die Tschechische Republik der Europäischen Union beitrat, ist die Gesamtzahl der Touristen um 16 Prozent gestiegen. Die EU-Integration führte zu einem Boom bei Billigfluglinien und einem Anstieg der Gesamtzahl der Hotelzimmer. Im August 2008 bedienten 15 Fluggesellschaften Prag mit insgesamt 89,970 wöchentlichen Sitzplätzen (28 Prozent der Gesamtkapazität der Fluggesellschaft). Zum Vergleich: Im Jahr 2004 begrüßte der Prager Flughafen 13 Billigfluggesellschaften mit insgesamt 54,066 wöchentlichen Sitzplätzen. Das ist ein Sprung von 66 Prozent in nur vier Jahren. Die Hotelkapazität stieg von 31,387 Zimmern im Jahr 2004 um 34,371 Prozent auf 9.5 Zimmer.

Prags historisches Herz wurde in den letzten zwei Jahrzehnten sorgfältig verjüngt. Trotz der Tatsache, dass das 866 Hektar große historische Viertel 1992 zum UNESCO-Weltkulturerbe wurde, fand wenig Schutz statt, um die Überkommerzialisierung des Zentrums einzuschränken. Prag verliert seine Authentizität und wendet sich einem exquisiten barocken Dekor zu. Souvenirverkäufer, T-Shirt-Läden, Irish Pubs und Biergärten breiten sich schnell aus und erobern jede Ecke der Altstadt. In vielen alten Häusern haben sich Museen mit mehr oder weniger wertvollem Inhalt angesiedelt, die von der mittelalterlichen Folter bis zu den düsteren Tagen der kommunistischen Zeit dokumentieren.

Der Sommer ist besonders herausfordernd, da Caféterrassen und Biergärten den Altstädter Ring (Staromestke Namesti) vollständig einnehmen. Touristen stehen fast Schlange in engen Gassen, um vom Altstädter Ring zur berühmten Karlsbrücke zu gehen. Letzteres mit seiner anmutigen mittelalterlichen Architektur, umgeben von barocken Statuen, wurde in ein Kunsthandwerks-Einkaufszentrum verwandelt, in dem Verkäufer und ihre Stände die historische Brückenperspektive stören, indem sie die umliegenden Denkmäler und Statuen visuell verbergen. Hinzu kommt, dass viele Orte, die früher kostenlos waren, wie Toiletten auf der Prager Burg oder alte Gärten im Stadtteil Mala Strana, jetzt nur noch gegen Gebühr betreten werden können.

Es scheint, dass das Tourismuswachstum anarchisch bleibt, da die Prager Gemeinde nach dem billigen Geld des Massentourismus suchte. Das historische Zentrum von Prag verwandelt sich in ein Disneyland, da dort kaum noch Einheimische leben. Wenn man um 6:00 Uhr morgens (das ist die beste Zeit, um Prag ohne Horden von Touristen zu bewundern) durch die Altstadt geht, ist kein Café, kein Zeitungskiosk oder ein geöffnetes Lebensmittelgeschäft zu sehen, was zeigt, dass das historische Zentrum am Morgen erwacht gleichzeitig als seine Besucher.

Um die Bilder noch zu ergänzen, brachte die Verwandlung einer Stadt in einen riesigen Touristenpark auch viele unerwünschte Menschen mit sich. Taschendiebbanden, skrupellose Taxifahrer und betrügerische Wechselstuben machen regelmäßig Schlagzeilen in vielen ausländischen Zeitungen.

Bisher konnte Prag jedoch eine häufige Touristenbeschwerde ansprechen: Taxibetrug. Seit 2007 sind überall in der Stadt spezielle Taxistände (mit dem Namen „Fair Taxi Places“) eingerichtet, die darauf hinweisen, dass die dortigen Taxis die auf einer Tafel angegebenen offiziellen Fahrpreise verlangen. Und es funktioniert, da die Beschwerden der Taxifahrer seit der Einführung der Maßnahme vor einem Jahr erneut stark zurückgegangen sind.

Werden die Prager Behörden verstehen können, dass das schnelle „Touristengeld“ definitiv eine der stimmungsvollsten Städte Europas ruiniert hat? Kaum vorstellbar, solange das Streben nach schnellem Geld über den Sinn für Schönheit siegt.

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Avatar von Linda Hohnholz

Linda Hohnholz

Chefredakteur für eTurboNews mit Sitz im eTN-Hauptquartier.

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