Mehr als 60 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage der ITB Berlin befürchten, dass „politische und wirtschaftliche Bedingungen“ einen größeren Einfluss auf die Wirtschaft haben werden als Technologie oder Klimawandel. Diese Antwort ebnete den Weg für eine längst überfällige Änderung des Diskussionsschwerpunkts auf der weltgrößten Reisemesse und anderen Reiseforen.
Auf 22 Juli, Messe Berlin, Organisatoren von ITB Berlin, hat die Ergebnisse des ersten Teils einer ersten Travel & Tourism Radar-Umfrage veröffentlicht, die den Inhalt des ITB-Kongresses 2025 bestimmen soll, der vom 4. bis 6. März unter dem Motto „Die Kraft des Wandels lebt hier“ stattfindet. Die Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften führte die 18 Fragen umfassende Umfrage zwischen Mai und Juni 2024 online zum Thema „Geschäftsklima und Nachhaltigkeit“ durch. Die Stichprobengröße betrug 414 und 332 vollständig ausgefüllte Antworten.
In einer Pressemitteilung wurde Deborah Rothe, Direktorin der ITB Berlin, mit den Worten zitiert: „Während Covid konzentrierte sich die Debatte in unserer Branche oft auf die langfristige Notwendigkeit, krisenfest zu werden. Die vorliegende Studie zeigt, dass Nachhaltigkeitsbemühungen oft eher von der Notwendigkeit als von wirtschaftlichen Motiven getrieben sind – für uns ein Signal, dieses Thema bei der kommenden Ausgabe der ITB Berlin aufzugreifen und zu vertiefen.“
Da sich die meisten Fragen auf die Digitalisierung und Nachhaltigkeit bezogen, fielen die Antworten dementsprechend aus. Auf die Frage „Welche Trends und Entwicklungen könnten in den nächsten zwei Jahren den größten Einfluss auf Ihr Unternehmen haben?“ antwortete jedoch eine deutliche Mehrheit (61.5 %) mit „Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen“.
Dies war sowohl in technologischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Klimanachhaltigkeit deutlich besser (siehe Abbildung unten).
Die Pressemitteilung versuchte ansonsten ein optimistisches Bild zu zeichnen und stellte fest, dass die Befragten ihre Situation im zweiten Quartal 2024 im Vergleich zum ersten Quartal im Allgemeinen positiv einschätzten. Darin hieß es: „Auch die Aussichten für die unmittelbare Zukunft erscheinen gut. Dementsprechend zeigten sich die befragten Unternehmen optimistisch für die Entwicklung im nächsten Quartal. Die Organisatoren der Umfrage stellten stabile Investitionspläne fest und identifizierten die Richtung, in die künftige Investitionen gehen könnten.“
Die Besorgnis von 61.5 % über die zukünftigen Auswirkungen widriger politischer und wirtschaftlicher Bedingungen kann jedoch nicht unter den Teppich gekehrt werden. Solche Bedingungen können ebenso destabilisierend sein wie Pandemien und Naturkatastrophen. Während Erdbeben und Tsunamis nicht vorhergesagt werden können, können politische und wirtschaftliche Krisen sowohl vorhergesagt als auch in manchen Fällen verhindert werden.
Es liegt nun an der ITB Berlin, auf ihre eigenen Erkenntnisse zu reagieren.
Tatsächlich zeigt ein genauerer Blick auf die Umfrageergebnisse, dass viele Befragte derzeit leiden, auch wenn sie möglicherweise in der Minderheit sind (siehe unten). Man kann davon ausgehen, dass es sich bei den meisten davon um kleine und mittlere Unternehmen handelt. In diesem Fall ist die Branche verpflichtet, zu fragen, welche Art von Hilfe sie benötigen.
Tatsächlich kann die Geschichte der ITB Berlin belegen, wie wichtig politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen als Einflussfaktoren waren.
Die Wirtschaft entstand 1966 inmitten einer Ära direkter politischer Konfrontation zwischen den damals kommunistischen Ländern des Eisernen Vorhangs und den demokratischen westlichen Ländern. Obwohl die Wirtschaft trotz aller Widrigkeiten stetig wuchs, erlebte sie einen Aufschwung, als sich die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen nach dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung verbesserten.
Danach schwankte die Besucherzahl in direktem Zusammenhang mit den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, insbesondere in bestimmten Regionen und Ländern. Eine detaillierte Analyse der ITB-Besucherzahlen nach Ländern, nicht nur nach der Gesamtzahl, wird dies beweisen.
Heute wirken sich die Konflikte zwischen Russland und der Ukraine sowie zwischen Palästina und Israel deutlich auf das Reisen aus. Wie viel besser würde es der Branche insgesamt gehen, wenn diese Konflikte nicht wüten würden?
Globale Messen mit dem Prestige und Status der ITB Berlin müssen eine Plattform und eine Stimme bieten, um die Anliegen der gesamten Branche zu diskutieren, insbesondere derjenigen, die unter diesen widrigen Bedingungen am stärksten leiden.
Es gibt noch reichlich Gelegenheit, tiefer zu forschen. Die am 22. Juli veröffentlichten Ergebnisse sind nur der erste Teil einer dreiteiligen Befragung. Der zweite Teil soll Mitte Oktober durchgeführt werden, der dritte zum „Jahreswechsel“, heißt es in der Pressemitteilung. Die Ergebnisse aller drei Befragungen sollen in die Programmplanung des ITB Berlin Kongresses 2025 einfließen.
„Ziel ist es zu untersuchen, wie die Branche Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsbemühungen künftig als mehr als eine von der Gesetzgebung und den Kundenbedürfnissen diktierte Anforderung betrachten kann“, heißt es.
Hinzu kämen noch die großen Sorgen über die Auswirkungen der „politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, insbesondere wenn es der ITB Berlin wirklich darum gehe, die Branche „krisenfester“ zu machen.